ARAMEA Quarterly “Q” 02/2023: “Knirschen im Gebälk”

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

es gibt Zeiten an den Finanzmärkten, da passiert wochen- oder gar monatelang vergleichsweise wenig – und dann gibt es Phasen, in denen innerhalb weniger Tage gefühlt ein ganzes Kapitalmarktjahr an einem vorbeizieht. Eine solch intensive Phase haben wir jüngst wieder einmal durchlebt – oder besser: durchleben müssen.

Durch den rasanten Zinsanstieg der letzten Monate beginnt zunehmend das Knirschen im Gebälk der Weltwirtschaft. Noch bis vor kurzem war die vorherrschende Markterwartung, dass es zuvorderst die erodierende Profitabilität der Unternehmen sowie die entsprechenden Folgewirkungen sein dürften, welche die globale Wirtschaft in die „Rezessionsknie“ zwingen werden. Mit der Pleite einer US-Bank, deren Name in Europa bis vor kurzem wohl nur wenige Finanzmarktteilnehmer kannten, wurde ein Dominoeffekt in Gang gesetzt, dessen Ende Stand heute nur schwerlich absehbar ist. Aber Fakt dürfte sein, dass aufgrund des gestiegenen Drucks im Bankensystem die Kreditvergabetätigkeit der Geldhäuser in den kommenden Monaten spürbar restriktiver ausfallen und so den konjunkturellen Abwärtsdruck verstärken dürfte.

Die Zentralbanken stehen entsprechend abermals vor einem Dilemma und die Gefahr eines Politikfehlers seitens der Geldpolitik ist aktuell ohne Frage erhöht. Dieses Mal stehen die „Dilemma-Experten“ vor der Herausforderung, Preis- und Finanzmarktstabilität gleichzeitig zu wahren. Einen Kompromiss bei der Inflationsbekämpfung einzugehen, können sich die Zentralbanken allerdings kaum leisten. EZB & Co. sind gezwungen, der nach wie vor viel zu hohen Inflation die Stirn zu bieten. Durch eine restriktivere Kreditvergabe der Geschäftsbanken bzw. die jüngste Verschärfung der Refinanzierungsbedingungen („Financial Conditions“) dürfte das Ende der Zinsanhebungszyklen nun dennoch etwas früher erreicht werden als noch vor Monatsfrist erwartet.

Aber machen wir uns nichts vor: Eine Einhegung eines Inflationsproblems mit derart epischem Ausmaß, wie wir es gerade vor uns haben, kann wohl nur schwerlich ohne ökonomische Bremsspuren in Form einer zumindest mittelschweren Rezession vonstatten gehen.

Den Finanzmärkten könnten noch einige wacklige Wochen bevorstehen. Sollten US-Notenbank und EZB jedoch tatsächlich im zweiten bzw. dritten Quartal ihre Anhebungszyklen beenden, sollten sich insbesondere die Rentenmärkte wachsender Beliebtheit erfreuen. Aber auch Technologieaktien könnten ihr Comeback fortsetzen.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Felix Herrmann, CFA

Chefvolkswirt Aramea Asset Management AG