ARAMEA Quarterly “Q” 04/2023: Was folgt auf den Zinsgipfel

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Deutschland habe seine Sicherheit an die Vereinigten Staaten, seine Energieversorgung an Russland und sein exportorientiertes Wachstum an China outgesourct – diese Beobachtung galt spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht mehr vollumfänglich. Mit der Wachstumsschwäche Chinas, die konjunkturelle aber vor allem auch strukturelle Elemente hat, bröckelt nun jedoch auch der zweite Pfeiler deutscher Außen(wirtschafts)politik.

Chinas Wirtschaft steckt ohne Frage in der Krise, wobei insbesondere während der Corona-Pandemie etwas im Reich der Mitte kaputt gegangen zu sein scheint. Adam Posen, seines Zeichens Präsident vom renommierten Peterson Institute of International Economics, identifiziert dieses „Etwas“ als das Ende des impliziten „No-Politics-No-Problem“-Vertrages, der lange Jahre in China galt: Die Kommunistische Partei kontrollierte Eigentumsrechte in China, hielt sich aber ansonsten weitestgehend aus der Privatwirtschaft heraus – vorausgesetzt, die Privatwirtschaft mischte sich nicht in politische Belange ein. Was heute nach „Zero-Covid“ bleibt, ist eine Angst unter Chinesen, Peking könnte quasi über Nacht und ohne Ankündigung die Wirtschaftsgrundlage von Individuen und Unternehmen entziehen. Diese Angst hat in China zu einer ungewohnt starken Konsumzurückhaltung, starkem Vorsichtssparen und auch zu weniger Wagnisinvestitionen geführt, was zusammengenommen das Wachstum enorm belastet. Chinas Führung wird diesen Gordischen Knoten rasch durchschlagen müssen, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Für uns bedeutet das: China wird Europa dieses Mal eher nicht aus der Patsche helfen können. Auch deshalb ist eine Rezession in der Eurozone in den kommenden zwölf Monaten wohl kaum noch vermeidbar. Damit Finanzmarktteilnehmer keine ähnlich unschönen Erfahrungen wie während der Stagflation in den 1970er-Jahren machen, ist es besonders wichtig, dass es den Zentralbanken im Westen rasch gelingt, die Inflation und damit den Kaufkraftverlust der Menschen einzufangen. Die gute Nachricht lautet: Der Ernst der Lage wurde erkannt und gerade die Anleihemärkte bieten aus unserer Sicht gegenwärtig spannende Opportunitäten, da die Zentralbanken am Ende ihrer Leitzinsanhebungszyklen angelangt sind, denn anders als die Aktienmärkte liefern die Rentenmärkte nach der letzten Zinsanhebung die konsistentere Performance.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Felix Herrmann, CFA

Chefvolkswirt Aramea Asset Management AG