Kommentar zur Silicon Valley Bank: Erdbeben bei Bankaktien – Nachränge dagegen weiter stabil

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Sehr geehrte Damen und Herrn,

der Bankensektor wurde am Freitag von einem mittleren Erdbeben erfasst, das sich heute weiter fortsetzt. Dieses wurde von der Silicon Valley Bank (SVB) ausgelöst, einer Regionalbank aus Kalifornien, die Verluste in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar aus dem Verkauf eines 21-Milliarden-USD-Anleiheportfolios meldete, welches durch steigende Zinssätze in Mitleidenschaft gezogen wurde. Daraufhin zogen Anleger mit zunehmender Geschwindigkeit Gelder ab, so dass die Pläne der SVB, sich mehr Kapital zu beschaffen, scheiterten. Die Aufsichtsbehörden reagierten sofort und schlossen das Unternehmen. Für betroffene Einleger wurde zudem eine Auffangfazilität kreiert, so dass sie weiterhin über ihre Gelder verfügen können.

Dennoch wird aktuell der gesamte Bankensektor neu bewertet und es machen sich Sorgen breit, dass andere Regionalbanken in ähnliche Schwierigkeiten geraten könnten.

Wir sprachen mit Sven Pfeil, Vorstand bei der ARAMEA Asset Management und Senior Portfoliomanager der Nachranganleihefonds des Hauses, sowie mit Felix Herrmann, CFA, Chefvolkswirt der ARAMEA und Portfoliomanager der globalen Rentenstrategie des Hamburger Vermögensverwalters über die Auswirkungen auf die europäischen und amerikanischen Bankenanleihen – insbesondere im Nachrangsektor.

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Sven Pfeil  – Vorstand & Senior Portfoliomanager

ARAMEA Asset Management AG

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Felix Herrmann, CFA – Chefvolkswirt

ARAMEA Asset Management AG

PUNICA:

Hat die SVB-Pleite die Kraft, ein Lehmann-Szenario 2.0 heraufzubeschwören?

Pfeil:

Da lehne ich mich mal aus dem Fenster und antworte mit einem klaren „Nein“. Die SVB ist zwar eines der größeren Institute – gemessen an ihren Vermögenswerten war sie Ende 2022 die Nummer 16 in der US-Bankenbranche – hat aber gleichzeitig ein wenig diversifiziertes Geschäftsmodell, welches zum Großteil in der Finanzierung von Startups durch Privat Equity und Venture Capital besteht. Während der Corona-Krise hat die SVB viele Einlagen aus der Tech-Branche eingesammelt (circa eine Verdreifachung der Einlagen) und mit diesen auf eine Fortsetzung des Niedrigzinsumfeldes gesetzt. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen und ist der Bank nun auf die Füße gefallen.

PUNICA:

Wie konnte dies aber nach all der Regulierung in den letzten Jahren erneut passieren?

Herrmann:

Kleine und mittlere Banken in den USA sind weitaus schwächer reguliert als große – geschweige denn als europäische Banken. Sie unterliegen zum Beispiel keinen LCR-Mindestanforderungen. Der US-Regulator überprüft die Anlagepolitik absichtlich nicht so streng wie die europäischen Behörden. Hier wird marktwirtschaftlicher gedacht: Hin und wieder eine Bankenpleite aufzufangen sieht die US-Regierung als günstiger an, als die gesamte Finanzbranche durch Überregulierung zu strangulieren. Europäische Banken erfüllen dagegen seit der Finanzkrise sehr strenge LCR-Anforderungen, die sie weitestgehend immun machen gegen Schocks, wie ihn aktuell die SVB erlebt hat.

Zwar haben sich die nicht realisierten Verluste auf Anlageinvestitionen der von der US-Einlageaufsicht regulierten Banken auf 620 Mrd. USD erhöht, ein generelles Mark-to-Market-Risiko sehen wir in den USA aber nicht. So sind die 25 größten US-Banken (Ausnahme SVB und First Republic) mit keinem signifikanten negativen Mark-to-Market-Risiko auf der gesamten Assetseite unterwegs. Daher sehen wir hier keine klassische Bonitätskrise, sondern eine Liquiditätskrise aufgrund eines Asset-Liability-Mismatches. Somit unterscheidet sich die Lage unseres Erachtens fundamental von der Situation, die wir etwa 2008 gesehen haben.

PUNICA:

Hat die FED hier gut reagiert?

Herrmann:

Die Fed berief sich auf ihre Notstandsbefugnisse und hat die Einrichtung einer neuen Fazilität angekündigt, die zur Vergabe von Krediten an US-Einlageninstitute genutzt werden soll. Die Fazilität nimmt alle Sicherheiten auf, die für den Ankauf durch die Fed im Rahmen von Offenmarktgeschäften in Frage kommen. Die Sicherheiten spielen keine Rolle, da sich das Programm an Banken mit großen Portfolios von bis zur Fälligkeit gehaltenen Staatsanleihen und Agency MBS richtet. Besonders wichtig ist hier, dass die Sicherheiten zum Nennwert bewertet werden, so dass die ausgeliehene Marge 100 % des Nennwerts betragen wird. Unserer Ansicht nach ist dies die wichtigste Quelle für die Wirksamkeit des Programms: Wertpapiere, die bei einem Verkauf eine starke Abwertung erfahren würden, können nun zum vollen Nennwert als Sicherheit verliehen werden, was den Banken die Möglichkeit gibt, diese Verluste wieder auszugleichen. Gleichzeitig hat die US-Administration sehr besonnen reagiert und garantiert nun auch die Sicherheit der unbesicherten Einlagen (>250k USD).

PUNICA:

Wie geht es nun weiter an den Märkten und speziell mit den Bankennachrängen, in die Sie verstärkt investieren?

Pfeil:

In den kommenden Stunden ist ein gewisser Stress bei kleinen und mittleren Banken zu erwarten, da Kunden vermutlich versuchen werden, ihre Einlagen zu großen Banken (JP Morgan, etc.) umzuschichten. Größere Banken sollten hingegen eher Einlagenzuflüsse verzeichnen. Als aktive Manager müssen wir uns nun ganz klar die Frage stellen, ob die Bewegungen an den Aktienmärkten entscheidend für die Call-Wahrscheinlichkeiten unserer Nachranganleihen sind.

Aktuell denken wir nicht, dass die Call-Wahrscheinlichkeiten hierdurch in der Breite negativ beeinflusst werden. Schon vor den Meldungen haben wir Tier2-Anleihen bevorzugt, die auch bei einem nicht erfolgten Call, spätestens nach 5 Jahren nach dem Call-Datum fällig werden. Gleichzeitig verlieren sie die Eigenkapitalanrechenbarkeit und werden mit einem höheren Kupon ausgestattet. Heute sind diese Papiere (Stand 12:30 Uhr) sogar leicht im Plus, da die Spread- durch die Zinsbewegung überkompensiert wird. Anders sieht dies bei den von uns gering gewichteten AT1-Anleihen aus (sog. CoCos). Hier sehen wir Spreadausweitungen von 50-70 Basispunkten, was in Kursverlusten von -1,5% bis -2,5% resultiert.

Auch die 5-Jährigen CDS weiten sich für Banken-Nachrang um ca. 20 Basispunkte aus. Positiv ist in diesem Marktumfeld unsere vergleichsweise hohe Kasse-Position von rund 9%, die wir nun in gesunde Credits investieren können, welche unseres Erachtens zu Unrecht mit abgestraft werden. Trotz dieser relativ positiven Einschätzung unsererseits bleiben zweifelsohne Risiken bestehen, die eine Verschlechterung der Lage an den Märkten hervorrufen könnten. Wir behalten dies eng im Blick und handeln entsprechend.

PUNICA:

Herr Pfeil, Herr Herrmann vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Nachtrag:

Auch die BaFin macht aktuell keine Bedrohung für die Finanzstabilität aus, wie einem Bericht des manager magazins zu entnehmen ist. Sie schloss unlängst die deutsche Zweigstelle des US-Instituts mit Sitz in Frankfurt am Main.